Märchen

 

In den Tagen um Weihnachten wird seit Jahrzehnten der Film Drei Haselnüsse für Aschenbrödel gezeigt. Wie so oft im Märchen geht es um arm und reich, um gerecht und ungerecht und irgendwie immer auch um gut und böse. Tröstlich, dass am Ende das Gute triumphiert. Die Welt ist wieder in Ordnung. 

Ach wenn es doch sonst in der Welt auch so einfach wäre…  

Da entsteht vielmehr der Eindruck, es wird eher schlimmer als besser. Eine Krise jagt die andere.  Die Mächtigen und die Ungerechten tragen den Sieg davon. Wer Knecht ist, bleibt Knecht, wer Herr ist, bleibt Herr. Das ist der Lauf der Welt, die sich uns keineswegs märchenhaft präsentiert.  

Ab und zu gibt es ein „bisschen Frieden“ und der Wohlstand in diesem Land kann sich nach wie vor sehen lassen, auch wenn er hier und da zu bröckeln beginnt und von Wirtschaftsflaute, ja sogar wieder von drohender Arbeitslosigkeit die Rede ist.  

In Deutschland scheint der weltliche Optimismus aufgebraucht. Die Menschen glauben kaum noch, dass es besser werden könnte; so jedenfalls die allgemeine Stimmung. Privat jedoch sind viele mit ihren Lebensumständen zufrieden, aber doch auch im Bewusstsein der Flüchtigkeit.

Die Zeiten, in denen Menschen Trost im Glauben gesucht haben, nähern sich dem Ende. Da muss man nicht erst die Studien der Religionssoziologie bemühen. Die persönliche Erfahrung liegt auf der Hand.   

Ein „es kommen auch mal wieder andere Zeiten“ ist weder hilfreich noch tröstlich. Denn andere Zeiten kommen immer, nur welche?

In der Antike, also zur Zeit Jesu, bis hinauf ins 20. Jahrhundert war das Christentum stets ein Thema, nicht selten auch sehr kontrovers, wenn man an die Auseinandersetzungen des 16. und 17. Jahrhunderts denkt.  2000 Jahre sind eine lange Zeit im auf und ab der Geschichte. Reibungspunkte mit der Welt gab es immer und das war auch gut so. Doch jetzt…einfach kein Thema mehr. Keine Talkshows, nichts. Es sei denn, man findet wieder etwas Böses oder Kriminelles in der Kirche, das ist immer eine Meldung wert.

Hin und wieder gibt es ein paar große Inszenierungen wie die Öffnung der Hl. Pforte zu Weihnachten am Beginn des Heiligen Jahres. 30 Millionen Pilger werden erwartet, großartig. Und obendrein ein vollkommener Ablass, der eventuell das Fegefeuer ersparen könnte. Wie wirkt das in Deutschland, wo der Glaube an ein Leben nach dem Tod weitgehend verschwunden ist? Imposant, gewiss, aber auch irgendwie skurril.

Gar nicht märchenhaft, sondern altes Glaubensgut: „Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit“ (GL 424).


Ihr Pfarrer Ludger Dräger